Gregor Strekelj: BIM und die Brückenbau-Revolution, Teil 1

3. Februar 2021

Brücken sind ein essenzieller Bestandteil unserer Infrastruktur. Im ersten Teil unseres Gesprächs mit Gregor Strekelj, Product Manager bei Allplan Infrastructure, erklärt uns der Brückenbauingenieur, worin die Herausforderungen des heutigen Brückenbaus liegen und wie BIM dabei hilft, sie zu meistern.


Was sind die größten Herausforderungen im Brückenbau?

Brücken sind komplexe Strukturen: im geometrischen Sinne, aber besonders im strukturellen Verhalten während des Bauablaufes, bei der Benutzung der unterschiedlichen Bautechnologien, die sowohl dem Brückentyp als auch den Geländebedingungen entsprechen müssen. Bis zum finalen Stand des Brückenbauprojektes werden viele Varianten erarbeitet und jede Änderung kann Zeitverzögerungen verursachen. Der Vergleich von Varianten zur Ermittlung der qualitativ besten Version ist entsprechend zeit- und arbeitsintensiv. Aufgrund von Zeitmangel im Entwurfsprozess werden diese häufig vermieden oder nicht ausreichend durchdacht. Dies kann sich negativ auf die Grundqualität der Brücke auswirken. Trotzdem gehören Modifikationen sowie zeitaufwändige Synchronisationen im Brückenbau zum Tagesgeschäft. Eine fehlende singuläre „Wahrheitsquelle“ (single source of truth) des Projektes, Missverständnisse sowie mögliche Inkonsistenzen sind insbesondere durch Globalisierung der Projekte ein wesentliches Problem der Brückenbauindustrie.

Laut einer aktuellen Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) werden in Deutschland derzeit knapp 5.000 Brücken als „nicht ausreichend“ bewertet, 700 sogar mit „ungenügend“. Global gesehen, ist die Situation ähnlich oder schlechter. Die Gründe für diese geringe Qualität sind vielfältig. Einerseits spielen hier äußere Einflüsse wie eine stark gestiegene Belastung durch ein höheres Verkehrsaufkommen, Temperaturschwankungen oder Korrosion durch Streusalz eine Rolle. Die Wartung von Brücken ist hiervon direkt betroffen.

Neben diesen externen Faktoren, die der Brückenbau nur schwer bis gar nicht beeinflussen kann, gibt es aber auch bau- und planungsbedingte Ursachen, die von Beginn an zu einer fehlerhaften Konstruktion führen. Die bereits erwähnte fehlende singuläre „Wahrheitsquelle“ des Projektes, inkonsistente Planungsdaten aus unterschiedlichen Datenquellen und Formaten von verschiedenen Beteiligten führen wegen mangelnder Zeit für die Synchronisation zu Problemen, die sich später in der Ausführung niederschlagen. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass sich neue Brücken in die vorhandene Infrastruktur einfügen müssen.


Sehen Sie noch weitere Problemfelder?

Zeit und Kosten. Untersuchungen des Wirtschaftsgeographen Bent Flyvberg haben ergeben, dass neun von zehn Infrastrukturprojekten nicht innerhalb der veranschlagten Zeit und Kosten fertiggestellt werden. Im Brückenbau liegen die Kostenüberschreitungen bei rund 30 Prozent. Auch hier liegen die Gründe in erster Linie in der Komplexität der Brücken, aber auch in den Arbeitsprozessen, die natürlich ebenfalls fehleranfällig sind, womit sich der Kreis zur Qualität schließt. Investiert man nicht genügend Zeit, treten mehr Fehler auf. Müssen Fehler während der Planungsphase immer wieder korrigiert werden, kostet auch das wieder Zeit und Geld. Noch kosten- und zeitintensiver sind Fehler, die erst auf der Baustelle entdeckt werden. All das ist umso problematischer, als Zeitpläne immer knapper kalkuliert werden.


Ist Building Information Modeling eine Lösung für diese Probleme?

BIM ist definitiv die richtige Lösung für diese Probleme, ja. Aber nicht irgendein BIM. Im Hochbau hat es sich mittlerweile aus verschiedenen Gründen als praktikabel erwiesen, statt eines gemeinsamen Modells mehrere Fachmodelle zu verwenden, die später zusammengeführt und auf Kollisionen hin geprüft werden. Im Brückenbau sieht die Sache jedoch anders aus. Die enorme Komplexität erfordert hier unserer Ansicht nach eindeutig eine „single source of truth. Das heißt, wir brauchen ein einziges parametrisches 4D-Modell, das bidirektional Geometrie, Statik und Konstruktion in sich vereint. Genau das ist uns mit Allplan Bridge auf bahnbrechende Art gelungen.

BIM bedeutet auch eine Änderung der Datenübertragung, der Datenanforderungen und der daraus resultierenden Workflows. Mit dem openBIM-Ansatz werden die verschiedenen Datenformate harmonisiert und alle am Entwurfsprozess Beteiligten können jederzeit Informationen über den aktuellen Status erhalten. Inkonsistenzen und Kollisionen treten bereits in der Entwurfsphase auf und können hier im Voraus beseitigt werden – nicht erst auf der Baustelle. Auf diese Weise können Zeit- und Kostenüberschreitungen vermieden und gleichzeitig die Qualität der Brücken optimiert werden. Als OpenBIM-Anbieter befolgen wir die neuesten IFC-Anforderungen für Brückenbau.

Letztendlich ist entscheidend, dass BIM nicht nur in der Theorie existiert, sondern auch gelebt wird. Das beginnt bei der Planung und endet auf der Baustelle. Durch eine schrittweise Digitalisierung der Baustelle steigt die Durchgängigkeit digitaler Prozessketten und es gelingt, die Möglichkeiten des digitalen Planens voll auszuschöpfen.

Erfahren Sie mehr in Teil 2 unseres Interviews.


 

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