Myzelien: Architektur aus Pilzen

20. März 2017

Die Wissenschaftler des US-amerikanischen Start-ups Ecovative haben mit „MycoFoam“ ein schaumartiges Material aus Myzelien hergestellt, das in der Architektur als Dämmstoff Verwendung findet. In diesem Beitrag stellen wir Ihnen den Biobaustoff genauer vor.

Herstellung Myzelien-Baustoff MycoFoam© Ecovative, https://s3-us-west-2.amazonaws.com/ecovative-website-production/press_kit_images/press-kit-42.jpg; Herstellung Myzelien-Baustoff MycoFoam

Dämmmaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen wie Zellulose und Holzweichfaser etablierten sich bereits seit Mitte der 1990er Jahre in der Baubranche. Jetzt hat das Startup Ecovative eine selbstwachsende Alternative zu nachwachsenden Rohstoffen aus Myzelien entwickelt. Dabei handelt es sich um das unterirdische Geflecht eines Pilzes, vergleichbar mit den Wurzeln eines Baumes. Diese fadenförmigen Zellen werden mit landwirtschaftlichen Nebenprodukten wie Maisstroh oder Getreidehalmen kombiniert und fünf bis sieben Tage in einem dunklen Raum zu einem Wurzelgeflecht herangezüchtet. Das Myzel verwertet die Erntereste, wobei die Stoffe zu einer Struktur gedeihen, die einer kleberartigen Masse ähnelt. Myzel wirkt gewissermaßen wie ein sich selbst reproduzierender Leim, der verschiedene Arten von natürlichen Produkten bindet.

Anschließend wird das Myzel dehydriert und erhitzt. Je nach beigemischten Nebenprodukten können Eigenschaften wie Dichte, Aussehen, Stärke und Textur beeinflusst werden. Das Material ist 100 Prozent biologisch abbaubar und dient nicht nur als Dämmstoff, sondern auch als ressourcenschonendes Baumaterial und Alternative zu Kunststoff und Styropor, aus denen die meisten Verpackungen bestehen. Die Produktion eines Kubikmeters Styropor erfordert 1,5 Liter Erdöl. Zum Vergleich: Die gleiche Menge MycoFoam, so der Name des ökologischen Baustoffs ist zu 100 Prozent recycelbar. Laut Hersteller ist der Stoff brandbeständig und druckstabil und eignet sich auch für die Herstellung von Akkustikfliesen und Sandwichpaneelen.

Hy-Fi: Ein Turm aus Pilzen

Wie das Myzel-Material in der Architektur eingesetzt werden kann, demonstrierte der Nachwuchsarchitekt David Benjamin im Rahmen des „Young Architects Program“ im Museum of Modern Art in New York. Sein zylinderförmiges Bauwerk Hy-Fi besteht aus 10.000 Myco-Ziegelsteinen, die im Labor von Ecovative gezüchtet wurden. Der Name bezieht sich dabei auf „Hyphen“, die fadenförmigen Zellen der Pilze. Mit dieser turmartigen Konstruktion setzte er den Pilzstoff erstmals als tragendes Material im Außenbereich ein und belegte damit beim Wettbewerb im Jahr 2014 den ersten Platz.

Herstellung Myzelien-Baustoff MycoFoam© Ecovative, https://s3-us-west-2.amazonaws.com/ecovative-website-production/press_kit_images/press-kit-42.jpg; Herstellung Myzelien-Baustoff MycoFoam

Phil Ross: Künstler und Pilz-Pionier

Dabei waren die Gründer von Ecovative nicht die ersten, die das Potenzial von Pilzen als Bau- und Verpackungsmaterial entdeckten. Bereits in den 1980er Jahre sorgte der US-amerikanische Künstler Phil Ross mit Skulpturen aus Sägespanklumpen für Aufsehen, die mithilfe von Myzelien zusammengehalten wurden. Heute züchtet der Pilz-Pionier Stühle, Hocker und Tische aus dem Material. Mit seinem Unternehmen MycoWorks verfolgt er das Ziel, den Einsatz des revolutionären Baustoffes auch in der Architektur voranzutreiben.

Der Künstler ist davon überzeugt, dass Mycotecture technologisch bereits so ausgefeilt ist, dass es sich zum Hausbau eignet. Das zeigte er in Ansätzen mit dem Minihouse „Mycotectural Alpha“ , das komplett aus Pilz-Backsteinen besteht. Laut Ross könne sich der nachhaltige Baustoff allerdings vor allem aus kulturellen Gründen nur schwer durchsetzen. Der Pilz habe ein Imageproblem. Viele Menschen assoziieren ihn mit negativen und gesundheitsgefährdenden Eigenschaften. Es müsse ein Umdenken in der Gesellschaft stattfinden, so Ross.

Baustoff der Zukunft?

Doch das schmälert keineswegs das Potenzial des ökologischen Baustoffs. Bis er sich in der Baubranche etabliert hat, muss noch viel in Forschung und Optimierung investiert werden. Fest steht, dass nachhaltiges Bauen schon heute eine zentrale Rolle in der Architektur einnimmt. Wissenschaftliche Studien, um das Potenzial des Myzels genauer zu ergründen, könnten sich daher lohnen.


 

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