Inga Stein-Barthelmes zu BIM und KI in der Infrastrukturplanung

28. Februar 2024

Künftige Herausforderungen im Infrastrukturbau erfordern eine Prozessbeschleunigung durch moderne Technologie. Expertin Inga Stein-Barthelmes gibt ihre Einschätzung zu Trends wie ML und KI.

Wie der Infrastrukturbau (oder auch das Bauen allgemein) in zehn Jahren aussehen wird, kann momentan noch niemand sagen. Mit großer Sicherheit werden wir jedoch die Dinge nicht mehr so handhaben können wie heute, weil uns einerseits zunehmend Fachkräfte fehlen und uns andererseits Technologien wie das maschinelle Lernen völlig neue Möglichkeiten eröffnen. Umso wichtiger ist es daher, Technologietrends zu beobachten, um die richtigen Entscheidungen für unsere Unternehmen zu treffen. Deshalb haben wir vier internationale Expert:innen eingeladen, mit uns über eine KI-getriebene Zukunft der Infrastrukturplanung zu diskutieren. In diesem ersten Interview sprechen wir mit Inga Stein-Barthelmes von PD - Berater der öffentlichen Hand.


Beschleunigung der Infrastrukturplanung: Hindernisse

Die Beschleunigung der Verkehrsinfrastrukturplanung angesichts des Fachkräftemangels erfordert eine Effizienzmaximierung im gesamten Planungsprozess. Was sind die größten Hindernisse, die wir überwinden müssen, um viel schneller zu werden?

Die Beschleunigung der Verkehrsinfrastrukturplanung kann durch verschiedene Herausforderungen behindert werden. Neben bürokratischen Hürden sind das etwa Unsicherheiten bei der Finanzierung und Budgetierung, (unverhältnismäßig hohe) Umweltauflagen sowie schlechtes Stakeholder-Management (also eine mangelnde Einbindung von Interessengruppen wie Anwohner:innen, Unternehmen und Umweltschutzgruppen). Ebenso können der bereits erwähnte Fachkräftemangel, ein unzureichendes Risikomanagement oder auch fehlende Unterstützung auf politischer Ebene bei Infrastrukturprojekten die notwendige Beschleunigung hemmen.

Die Überwindung dieser Hindernisse erfordert eine ganzheitliche Herangehensweise und die Zusammenarbeit zwischen Regierungsbehörden, Fachleuten, der Privatwirtschaft und der Gemeinschaft, um die Verkehrsinfrastrukturplanung effizienter zu gestalten. Darüber hinaus sollten wir technologische Innovationen nutzen. Die Einführung moderner Technologien wie Building Information Modeling (BIM), Künstliche Intelligenz (KI) und Datenanalyse kann den Planungsprozess erheblich beschleunigen.

BIM_WORLD2023_05962© Messe München; Inga Stein-Barthelmes beim Expertenpanel BIM4Infrastructure auf der BIM World MUNICH 2024.

Vorteile durch BIM im Infrastrukturbereich

In den letzten Jahren haben wir BIM-basierte Prozesse entwickelt, um Infrastrukturprojekte durch ein besser abgestimmtes Informationsmanagement zu verbessern. Was haben wir in den letzten fünf Jahren im Infrastrukturbereich erreicht?

In den letzten fünf Jahren wurden spezifische Fortschritte bei der Einführung von BIM im Infrastrukturbereich erzielt. So haben etwa viele Regierungen und Bauunternehmen die Vorteile von BIM im Infrastrukturbereich (BIM4Infrastructure) erkannt und die Integration in ihre Planungs- und Bauprozesse vorangetrieben. Die Akzeptanz von BIM hat sich weltweit erhöht, und es gibt vermehrt Bemühungen, diese Technologie in großen Infrastrukturprojekten zu implementieren. Zudem sind wir bei der Entwicklung wichtiger branchenspezifischer BIM-Standards für den Infrastrukturbereich ein gutes Stück weitergekommen.

Weitere Verbesserungen ergeben sich durch die Nutzung digitaler Zwillinge für Infrastrukturanlagen, die Integration von Geodaten beziehungsweise die Verknüpfung von BIM mit Geoinformationssystemen (GIS) und allgemein durch die detaillierte 3D-Modellierung. Gleichsam hat sich die Zusammenarbeit in großen Projekten dank BIM deutlich verbessert. Im Straßenbau hat BIM dazu beigetragen, die Planung und den Bau von Straßeninfrastruktur zu optimieren, und auch in der Wasserwirtschaft wird BIM eingesetzt, um Wasserinfrastrukturprojekte wie Kanalisationen und Wasserversorgungssysteme zu planen und zu verwalten.

Insgesamt haben diese Entwicklungen dazu beigetragen, dass BIM im Infrastrukturbereich zu einem integralen Bestandteil von Planungs- und Bauprojekten geworden ist. Die Technologie wird voraussichtlich weiterhin an Bedeutung gewinnen, da die Branche die Vorteile von digitalen Planungs- und Managementlösungen erkennt. Spezifische Anwendungen von BIM erstrecken sich mittlerweile über alle Teilbereiche des Infrastrukturbaus: von Brückenbau und Tunnelbau über Eisenbahnsysteme, Flughafeninfrastruktur, Hafen- und Wasserbau bis zu Verkehrsmanagement und -simulation, Fernwärme- und Fernkältenetzen oder Umweltmaßnahmen. In all diesen Bereichen wird BIM erfolgreich eingesetzt, um die Effizienz zu steigern, Kosten zu optimieren und die Nachhaltigkeit zu fördern.

KI in der Infrastrukturplanung: Ziele und Einführung

Wenn wir schneller werden wollen, müssen wir es nicht nur schaffen, Projektinformationen besser auszutauschen, sondern auch Planungswissen projektübergreifend digital reproduzierbar zu machen. Dazu wird seit vielen Jahren in verschiedene Richtungen geforscht und entwickelt, zum Beispiel in Richtung Parametrik und maschinelles Lernen (ML). Wo steht der Infrastrukturbereich in Deutschland in Bezug auf die Prozessautomatisierung? Ist dies bereits ein Thema für öffentliche Auftraggeber? Gibt es ein Bewusstsein für die potenziellen Vorteile der KI?

Die Fortschritte in der Prozessautomatisierung und der Integration von Technologien wie Parametrik und Machine Learning im deutschen Infrastruktursektor sind Teil eines globalen Trends zur Digitalisierung der Bau- und Planungsbranche. In Deutschland gibt es eine steigende Sensibilisierung für die Vorteile von Technologien wie KI im Infrastruktursektor, aber der Grad der Umsetzung kann je nach Region, Organisation und Projekt variieren. Hier sind einige Aspekte zu berücksichtigen wie Bewusstsein und Interesse, Verpflichtungen und Standards, Pilotprojekte und Forschung, Herausforderungen bei der Umsetzung oder interdisziplinäre Zusammenarbeit.

In Deutschland haben viele öffentliche Auftraggeber, Ingenieurbüros und Baufirmen erkannt, dass innovative Technologien wie BIM, Parametrik und ML den Planungs- und Bauprozess optimieren können. Auch gibt es Bemühungen, Standards für die digitale Planung und Umsetzung von Infrastrukturprojekten zu etablieren. Insgesamt steht Deutschland vorwärtsgerichtet in Bezug auf die Digitalisierung des Infrastruktursektors, aber es gibt noch Raum für weitere Fortschritte. Öffentliche Auftraggeber, Branchenorganisationen und Unternehmen setzen sich zunehmend dafür ein, digitale Technologien zu integrieren, um die Effizienz, Nachhaltigkeit und Qualität von Infrastrukturprojekten zu verbessern.

BIM_WORLD2023_05885© Messe München


Risiken und Hindernisse von KI

Bei Konstruktionsdaten beschreiben wir immer sensible Informationen wie das Innere eines Gebäudes. Das sind meist private Räume – dementsprechend sollte auch die Datenvorlage privat sein. Das gilt insbesondere für die Infrastruktur. Die Infrastruktur ist aber für das Wohlergehen unserer Gesellschaft entscheidend. Das bringt uns zur dunklen Seite der KI: Wenn KI-basierte Lösungen unsere Planungsunterlagen auf Tragfähigkeit, Planungsqualität und Einhaltung von Vorschriften prüfen, werden sie dann auch für Planungsfehler verantwortlich sein?

Die Frage nach der Verantwortlichkeit für Planungsfehler im Zusammenhang mit KI-basierten Lösungen ist komplex und hat rechtliche, ethische und gesellschaftliche Dimensionen. In der Regel liegt die Verantwortung für die Entwicklung und den Betrieb von KI-Systemen bei den Entwickler:innen und den Organisationen, die sie einsetzen (Stichwort Entwicklerverantwortung). Wenn ein KI-System in der Planung eingesetzt wird und Fehler verursacht, könnten die Entwickler:innen oder Betreiber:innen für diese Fehler haftbar gemacht werden. KI-Systeme sollten außerdem im Planungsbereich als unterstützende Werkzeuge betrachtet werden, nicht als eigenständige Entscheidungsträger. Die letzte Verantwortung für Planungsentscheidungen liegt in der Regel bei qualifizierten Fachleuten, wie Architekt:innen, Ingenieur:innen und Planer:innen.

Die Frage der Haftung im Zusammenhang mit KI-Systemen ist komplex und unterliegt oft rechtlichen Auseinandersetzungen. Es gibt Diskussionen darüber, ob die bestehenden Haftungsregelungen ausreichend oder ob spezifische Gesetze und Standards für KI-Anwendungen notwendig sind. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Transparenz und Erklärbarkeit von KI-Entscheidungen – Schlüsselprinzipien für verantwortungsbewussten KI-Einsatz. Je besser ein KI-System erklären kann, wie es zu einer bestimmten Entscheidung gekommen ist, desto einfacher ist es festzustellen, ob Fehler aufgetreten sind. Bei der Implementierung von KI-Systemen in Planungsprozessen ist eine umfassende Risikobewertung erforderlich. Dies sollte die möglichen Auswirkungen von Fehlern und die Strategien zur Qualitätskontrolle einschließen.

Insgesamt ist die Integration von KI in Planungsprozesse eine komplexe Aufgabe, die nicht nur technische, sondern auch ethische und rechtliche Überlegungen erfordert. Es ist wichtig, klare Richtlinien, Standards und rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um einen verantwortungsbewussten Einsatz von KI im Baubereich sicherzustellen.


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