Was bringt uns künstliche Intelligenz? – Digitalisierungs-Experte Stefan Kaufmann beantwortet im Interview sechs der drängendsten Fragen zur Zukunft mit KI in der Architektur.
Als Verantwortlicher für BIM-Strategien und neue Technologien im Produktmanagement von ALLPLAN hat Stefan Kaufmann immer einen Finger am technologischen Puls der Zeit. Im Interview beantwortet der Experte für Digitalisierung in der AECO-Branche sechs Fragen zur Rolle künstlicher Intelligenz in der Architektur.
Herr Kaufmann, wie kann KI Architekt:innen in ihrer Arbeit unterstützen?
Die Nutzung von künstlicher Intelligenz wird sehr vielfältig sein. Oft werden wir nicht merken, dass gerade im Hintergrund ein neuronales Netz für uns arbeitet. Jede Softwarelösung wird einen Chatbot haben, der uns immer intuitiver, automatisierter und besser bei unserer täglichen Arbeit unterstützt. KI-Assistenten helfen uns dabei, Fehler in unserer Arbeit zu entdecken. Manche Arbeiten wird KI uns komplett abnehmen, so dass es etwa in BIM-Projekten in Zukunft entspannter zugeht: Weniger Regeln – mehr KI. KI-Systeme können dabei unterstützen, unterschiedlich strukturierte BIM-Modelle gemeinsam zu nutzen.
Das gemeinsame Verwalten und Nutzen von verschiedenen Dateiformaten aus verschiedenen Systemen und Versionen stellt aktuell eine große Herausforderung dar. Hier wird KI eine Rolle spielen. Wenn die KI Bauwerksdaten zu interpretieren lernt, gibt es weniger Datensilos. Sie wird auch „dumme“ Daten für uns nachträglich strukturieren. Dann können wir beispielsweise BIM-Modelle aus einer einfachen Punktwolke extrahieren oder automatisiert Informationen über den Energieverbrauch oder das Tragverhalten eines Gebäudes aus 2D-Plänen erhalten. In Zukunft erwarte ich von KI also, dass sie uns bei der Nutzung von Datenquellen in Anwendungsfällen unterstützt, für die diese ursprünglich nicht erstellt wurden.
Wie kann künstliche Intelligenz die Effizienz von Architektur- und Planungsbüros verbessern?
Der Zugang zu aktuellem Fachwissen stellt für Architekt:innen ein Problem dar. Sie stehen vor der Herausforderung, unter immer komplexeren Rahmenbedingungen entwerfen zu müssen. Nicht nur im technisch sehr komplexen Krankenhausbau, sondern auch schon beim Entwurf von Einfamilienhäusern wird heute viel Fachwissen im Entwurfsprozess benötigt. Es ist daher immer wichtiger, einen effizienten und intuitiven Zugang zu Wissen zu erhalten, um sicherzustellen, dass man sich bei der Planung technisch und regulatorisch im realisierbaren Bereich bewegt. KI ermöglicht es uns, zukünftig während der Planung früher Feedback zu erhalten und teure späte Korrekturen zu vermeiden.
Für die nahe Zukunft erwarten wir, dass uns zunächst viele KI-Assistenten lästige Routinearbeiten im Planungsprozess abnehmen. Wenn die KI beispielsweise erkennt, dass ich gerade ein Fenster konstruiert habe, warum sollte sie mich nicht bei der Planung der nächsten zwanzig Fenster unterstützen? Wir müssen aber auch davon wegkommen, KI ausschließlich mit 3D-Planung in Verbindung zu bringen. Es ist durchaus möglich, dass klassische 2D-basierte Planungsprozesse in Zukunft wieder attraktiver werden, da sie möglicherweise noch besser von KI unterstützt werden können als komplexe 3D-basierte Planungsprozesse. Auch außerhalb der konstruktiven Planung hilft KI Architekt:innen, zum Beispiel bei der Kommunikation in internationalen Teams.
Kann KI bereits 3D-Modelle generieren?
Ja, das ist mit sehr einfachen Geometrien bereits möglich. Jeder kann es ausprobieren. Sie können mit Sprachbefehlen (Prompts) Geometrie generieren oder Hinweise zur Verbesserung eines statischen Systems erfragen. Das sind erste Ansätze. Die Frage ist jedoch, wie sinnvoll das Ergebnis und der Prozess bereits sind. Die großen Sprachmodelle sind sehr leistungsfähig, vor allem wenn es darum geht, textbasierte Inhalte zu generieren, und Geometrie lässt sich auf vielfältige Art textbasiert beschreiben. Ein zuverlässiges und präzises Modell erhalten Sie aktuell durch reine Prompts noch nicht. Mit einer CAD-Software können Sie ihren Entwurfsgedanken auf den Zehntel-Millimeter genau umsetzen. Davon sind wir mit Sprachmodellen noch weit entfernt. Deshalb glaube ich zunächst an eine Kombination aus klassischen parametrisierten Modellierungsansätzen und maschinellem Lernen.
Welche KI-Produkte können Büros vom Markt und von ALLPLAN in Zukunft erwarten?
Wir arbeiten aktuell in vier unterschiedlichen Themenfeldern: Assistenten, Automaten, Optimierer und Datenmanager. Es wird Chatbots geben, die immer intelligenter werden und zu einem breiten Themenfeld Fragen beantworten können. Diese Assistenten werden zunächst auf Anfragen reagieren und möglicherweise später auch den Kontext verstehen können, in dem Sie eine Frage formulieren.
Automaten werden wissen, was Sie gerade vorhaben. Die KI wird die Planung verstehen und evaluieren und die nächsten Schritte prognostizieren können. In den frühen Phasen des Entwurfs sehen wir bereits Bildsynthesemodelle. Gleichzeitig entwickeln wir unsere parametrischen Entwurfswerkzeuge weiter. Darin steckt bereits die sogenannte symbolische KI.
Optimierer analysieren das Planungs- und Bauergebnis und überprüfen Qualität, Sicherheit, Leistungsfähigkeit und Regelkonformität. Wir haben in das Startup Imerso investiert, mit dessen Lösung auf der Baustelle die Ausführungsqualität überwacht werden kann. Dabei werden mithilfe von KI Punktwolken gegen Planungsmodelle geprüft.
Datenmanager verbessern die Nutzbarkeit der Daten. Wenn heute zehn Personen in einem BIM-Projekt zusammenarbeiten, müssen sie sich detailliert zur Informationslieferung absprechen, damit die Modelle am Schluss sauber genutzt werden können. Das wird nie zu 100 Prozent funktionieren und führt zu Frust und Mehraufwand. KI kann zwischen Sprachen und Synonymen übersetzen, auch innerhalb eines BIM-Modells. Das könnte die Arbeit von BIM-Managern in Zukunft deutlich vereinfachen.
Wie wird die Zukunft aussehen? Werden wir am Ende große KI-Modelle haben, die den gesamten Bauplanungsprozess begleiten?
Es gibt unterschiedliche Trends. Einer geht in Richtung großer Fundamentalmodelle. Es könnte sein, dass ein solches Modell eines Tages das gesamte Konstruktionswissen für Gebäude abbilden kann. Allerdings ist es aktuell zu ineffizient, für jede kleine Anfrage ein großes Modell aufzurufen. Es gibt einen zweiten Trend, der darauf abzielt, viele KI-Dienste für spezifische Aufgaben zu entwickeln. Kleine, schnelle und hochspezialisierte KI-Dienste sind nachhaltiger, da sie weniger Energie für Training und Betrieb benötigen. Die Idee besteht darin, Arbeitsprozesse aus KI-basierten Systemkomponenten aufzubauen, und es ist denkbar, dass es eine KI ist, die diese Prozessketten vorschlägt.
Was können wir von ALLPLAN im Produkt erwarten?
In der ab Oktober verfügbaren Version Allplan 2025 haben wir zwei Plugins integriert. Diese unterstützen den architektonischen Entwurfsprozess auf vielfältige Weise: Veras von Evolvelab und der AI-Visualizer aus dem eigenen Haus. Technisch handelt es sich um ein Diffusionsmodell, das darauf trainiert ist, Bilder zu generieren. Aus einem völlig zufälligen Punkterauschen entstehen Bilder, die unseren Wünschen schrittweise immer ähnlicher werden. Diese Wünsche können Text oder Prompts sein, aber auch Bilder wie ein Screenshot aus dem CAD-System. Die Ergebnisse sind verblüffend. KI schafft Synthesen auf der Basis von Milliarden von Bildern und arbeitet dabei ähnlich wie ein menschlicher kreativer Prozess. Auch Architekten und Künstler schaffen Neues, indem sie auf vorhandenes Wissen zugreifen und dieses zu Lösungen synthetisieren.
Die Plugins liefern Inspirationen sowohl in der frühen Ideenfindungsphase des architektonischen Entwurfs, z.B. durch das Ausprobieren verschiedener Architekturstile. Sie werden aber auch in späteren Entwurfsphasen eingesetzt, z.B. bei der Darstellung von Möbeln und Materialien. Das Werkzeug eignet sich gleichermaßen für die Visualisierung von Außen- und Innenarchitektur. Es liefert besonders gute Ergebnisse bei der Darstellung von Materialien und Pflanzen sowie bei der Erzeugung einer bestimmten Atmosphäre oder eines landschaftlichen oder städtebaulichen Kontextes.