Gartenparadies Großstadt? 3 einzigartige Urban Farming-Projekte

19. November 2019

Was lange eine Domäne von Schrebergärtnern war, ist in Großstädten auf der ganzen Welt inzwischen ein Trend: Urbane Landwirtschaft, also nachbarschaftlicher Gemüse- und Obstanbau inmitten von Häusermeeren, auch Vertical Farming genannt. Zu beobachten ist derzeit eine zunehmende Professionalisierung der städtischen Farmen. Eine Entwicklung, die bis hin zu geschlossenen Ressourcenkreisläufen und autarker, urbaner Versorgung führen kann.


Die Pionierin: Eagle Street Rooftop Farm Brooklyn

In Deutschland ist urbane Agrikultur in Form des Gemüse- und Obstanbaus besonders in Berlin beliebt. Vorbild für die Berliner Stadtgärten ist die Eagle Street Rooftop Farm im New Yorker Stadtteil Brooklyn, eines der bekanntesten Urban Farming Projekte. Hier wird über dem dritten Stock eines alten Lagerhauses bereits seit 2009 auf einer Dachfläche von 550 Quadratmetern Gemüse angebaut. Durch den Kompost und die wechselnde Bepflanzung der einzelnen Beete kann auf künstlichen Dünger verzichtet werden, der Boden erholt sich von alleine. Die Farm wird von ehrenamtlichen Helfern bewirtschaftet, die Leiterin des Projekts ist Annie Novak, die weltweit als Urban-Farming-Pionierin gilt und und mehrere Bücher über das Thema verfasst hat.

 

 

Das erste „Gewächs-Kaufhaus“ auf einem Hausdach: Lufa Farm, Montreal

Die Grundidee des Urban Farming ist eigentlich der gemeinschaftliche Gemüseanbau für den Eigenbedarf und die Naturnähe in der Stadt. Immer öfter wird Urban Farming jedoch auch kommerziell betrieben – wie etwa auf der Lufa Farm1 in Montreal, dem ersten „Gewächs-Kaufhaus“ auf einem Hausdach. Seit 2011 baut Lufa Gemüse möglichst umweltschonend an und verkauft es frisch vom Beet wenige Stunden nach der Ernte ausschließlich an Mitglieder, die ihre Gemüsekörbe frei zusammenstellen können. Auf Pestizide oder Fungizide wird konsequent verzichtet, das Wasser wird recycelt.

 

Aquaponik mit Fischzucht: ECF-Farm, Berlin

Die Folge der Professionalisierung des Urban Farming sind immer komplexere Formen des Anbaus – zum Beispiel das System der Aquaponik, das Gemüseanbau mit Fischzucht verbindet. Die „größte Stadtfarm Europas“ nennt sich das Aquaponik-Projekt der ECF-Farm2 auf dem Gelände einer ehemaligen Malzfabrik im Süden Berlins. In einem 1.800 Quadratmeter großen Gewächshaus züchten die Gründer Nicolas Leschke und Christian Echternacht nicht nur Tomaten, Gurken und Spinat, sondern auch Fische. Bewässert wird das Gemüse mit einer Nährlösung, die aus dem Fischwasser und den Verdauungsresten der Tiere besteht. Das spart gegenüber herkömmlicher Bewässerung bis zu 90 Prozent Wasser.

 

Sicherung von Essen und Energie

Eine im September 2018 veröffentlichte Studie von Fraunhofer-Forschern3 über städtische Landwirtschaft untersucht Urban-Farming-Initiativen auf ihr Potenzial für eine nachhaltige Sicherung von Nahrungsmitteln und Ressourcen. Im Fokus steht der Pflanzenanbau in Innenräumen im Kontext neuer Technologien aus den Bereichen künstliche Beleuchtung, Sensorik und Automatisierung sowie die Mikroalgenkultivierung. Warum gerade Mikroalgen? Sie können vertikal wachsen und benötigen keinen Ackerboden. Die Untersuchung von vertikalen Gärten mit Mikroalgen zeigt, dass Urban Farming nicht nur für die Produktion von Lebensmitteln, sondern auch von Energie eingesetzt werden kann, indem Algenfassaden als Bioreaktoren fungieren.

 

Urban Farming: So schließt sich der Kreis

In den vergangenen Jahren wurde die Mikroalgen-Fassadentechnologie zu einem marktreifen Fassadensystem als Alternative zu Solarthermie und Photovoltaik weiterentwickelt. Als visionär gelten die „Eco-Pods“ der Höweler + Yoon Architecture Group4 – Bioreaktoren, die als Kraftstoffquellen und Mikroinkubatoren für Forschungs- und Entwicklungsprogramme dienen sollen. Die Algenfarmmodule können beliebig auf oder zwischen Bestandsgebäuden angeordnet und an die Haustechnik angebunden werden. Durch das Andocken an den Stoffkreislauf des Gebäudes können auch die Nährstoffe aus dem Grau- und Schwarzwasser genutzt werden – die Stoffströme Kohlendioxid, Wasser, Wärme und Biomasse werden zusammengebracht und in einen geschlossenen Kreislauf überführt.

 

 

Die Fraunhofer-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass städtische Landwirtschaft und geschlossene Ressourcenkreisläufe keinesfalls kurzfristige Phänomene, sondern förderwürdige Systeme mit Zukunft sind. Erfahren Sie hier mehr über Selbstversorgung durch das effektive Zusammenspiel von vertikaler Bepflanzung, innovativen Öko-Technologien und Architektur in autarken Dörfern.

 

1 https://montreal.lufa.com/en/

2 http://www.ecf-farm.de/

3 https://www.iao.fraunhofer.de/lang-de/presse-und-medien/aktuelles/2064-nahrungsmittel-fuer-die-stadt-aus-der-stadt.html

4 http://www.squareddesignlab.com/projects/eco-pod


 

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