Unter dem Meer – submarine Architektur

4. November 2019

Der Mensch ist von Natur aus ein neugieriges Wesen und so haben ihn seit jeher besonders jene Regionen fasziniert, die er nur schwer oder gar nicht erreichen kann, seien es nun die Gipfel der höchsten Berge, der Mond oder die Untiefen des Ozeans. Von der Bevölkerung der beiden letzteren Grenzregionen handeln zahllose Werke der Sciencefiction-Literatur. Dass die Sciencefiction schon so manches Mal tatsächliche Entwicklungen vorweggegriffen oder gar inspiriert hat, ist weithin bekannt. Da verwundert es eigentlich nicht, dass sich echte Architekturbüros ganz ernsthaft mit Bauwerken unterhalb des Meeresspiegels befassen.

2016226_OS© MIR und Snøhetta, Under

Entwürfe submariner Architektur gibt es in unterschiedlichsten Größen. Sie reichen von kleineren Unterwasserbauwerken bis zu ganzen Städten unter dem Meer. Von ersteren wurde und wird bereits so manches Exemplar verwirklicht. Die besondere Lage stellt hierbei jedoch meist eher ein gestalterisches, spektakuläres Gimmick dar als etwas, das einem höheren Zweck dient. Hinter den Visionen und Konzepten von Meeresstädten steckt hingegen oftmals die Auseinandersetzung mit Problemen wie Überbevölkerung oder dem Landverlust durch den klimabedingt steigenden Meeresspiegel. Hier geht es um die Erschließung eines völlig neuen Habitats für menschliches Leben.

2016226_OS_N5© MIR und Snøhetta, Under

Under: Restaurant trifft Unterwasserobservatorium

Aus der Kategorie „klein und tatsächlich gebaut“ stammt das Restaurant „Under“ von Snøhetta, welches 2019 fertiggestellt werden, also genau genommen momentan noch gebaut wird. Der Projektname ist dabei bewusst doppeldeutig, denn das norwegische Wort „under“ bedeutet sowohl „unter“ als auch „Wunder“. Beides trifft auch durchaus auf das Bauwerk zu. Der längliche, leicht stromlinienförmige Baukörper mit Meterdicken Betonwänden wird nämlich etwa zur Hälfte unter Wasser stehen, wobei dies rein optisch wirkt, als sei er in Folge eines Erdrutsches ins Meer gekippt. Am äußeren Ende befindet sich ein riesiges Panoramafenster aus Acrylglas, das einen wundervollen (deshalb „Wunder“) Einblick in die Unterwasserwelt gewährt.

2016226_OS_N3© MIR und Snøhetta, Under

Under ist als Mischgebäude konzipiert. Zum einen wird es ein Restaurant beherbergen. Damit steht es nicht allein da, schließlich gibt es seit 2004 bereits auf den Malediven ein Unterwasserrestaurant namens Ithaa und noch einige andere seiner Art. Zum anderen wird Under allerdings auch als Meeresforschungszentrum fungieren – als Unterwasserobservatorium sozusagen. Damit dient diese Architektur also nicht nur dem Entzücken der Restaurantbesucher, sondern auch der Wissenschaft.

2016226_OS_N4© MIR und Snøhetta, Under

Ocean Spiral: Modellstadt in der Tiefsee

Eine Unterwasservision von weit größeren und umfassenderen Ausmaßen bietet die japanische Baufirma Shimizu mit ihrer Ocean Spiral. Der 2014 veröffentlichte Entwurf sieht eine komplette Stadt in der Tiefsee vor, die vom Meeresboden in mehreren Tausend Metern Tiefe bis hinauf zur Wasseroberfläche reicht. Die Idee dahinter ist folgende: Die Erdoberfläche ist zu rund 70 Prozent von Meeren bedeckt, wovon die Tiefsee wiederum etwa 80 Prozent ausmacht. Jede Menge Raum, der potentiell auch ein Lebensraum für den Menschen sein könnte. Und mehr noch: Die Tiefsee bietet, so Shimizu, ein grenzenloses Potential für Nahrung, Energie, Wasser, das Speichern von CO2 und natürliche Ressourcen.

Diese nachhaltige und autarke Unterwasserstadt setzt sich aus drei Komponenten zusammen: 1. Einer luftdichten Kugel (zumeist) gleich unterhalb der Meeresoberfläche, in der 5.000 Menschen leben und arbeiten, 2. Einer „Erdfabrik“ („earth factory“) am Meeresboden, in der unter anderem ebendieser erforscht wird sowie dessen Ressourcen gewonnen und verarbeitet werden, und 3. Einer spiralförmigen Infrastruktur, die Kugel und Fabrik miteinander verbindet. Die benötigte Energie wird zum einen aus Methan gewonnen, welches mithilfe von Bakterien aus CO2 hergestellt wird, zum anderen mittels Meereswärmekraftwerken.

 

„Unterwasserreife“ ab 2030

Das Material der Wahl für Ocean Spiral soll ein wasserdichter Polymerbeton sein, der mithilfe eines riesigen 3D-Druckers verbaut wird. Die Fenster der Kugel würden aus Acrylglas bestehen. Noch ist die Technologie nicht fortgeschritten genug, um derartige Unterwasserstädte tatsächlich zu bauen. Shimizu geht aber davon aus, dass man 2030 so weit sein wird, die Tiefsee zu bevölkern.

Das Leben unter Wasser wäre dabei gewiss ein anderes als das an der Luft, zumeist beschränkt auf die Stadt selbst und bestimmt von tiefseegebundenen Aktivitäten und Arbeitsfeldern. Ob sich der Mensch auf Dauer unter Wasser wohl fühlen oder doch möglichst oft Ferien an Land machen will, wird sich vielleicht irgendwann nach 2030 zeigen.


 

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