Aus der Küche in den Berg: Tunnel- und Bergbau mit Mikrowellen

19. Juli 2018

Tunnelbau ist ein arbeits- und zeitaufwändiges Unterfangen. Zwar sprengt und bohrt es sich längst schneller als noch zur Geburtsstunde dieser besonderen Ingenieurbaukunst. Dennoch kommt man auch heute nur langsam voran. Das könnte sich nun ändern. Forschern der Montanuniversität Leoben in Österreich ist es nämlich vor kurzem gelungen, den Tunnel- und Bergbau mithilfe von Mikrowellen zu erleichtern. Deren Effekt ist geradezu „bahnbrechend“ und beschleunigt nicht nur den Bauprozess, sondern macht ihn obendrein in seinem Energieverbrauch erheblich günstiger.

 

Brenner Basistunnel

© By BBT SE [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], from Wikimedia Commons

 

Beim Graben in hartem Fels muss dieser zunächst gebrochen werden. Dies geschieht mechanisch, entweder per Sprengung oder mithilfe schwerer Maschinerie, sprich einer Tunnelbohrmaschine. In beiden Fällen wird der größte Teil der Energie jedoch nicht für das Fragmentieren des Gesteins genutzt, sondern geht in Form von Wärme verloren. Eine gewaltige Verschwendung, meinten Forscher der Montanuniversität Leoben, und suchten nach einem Weg, Energie effizienter einzusetzen. Die Lösung fanden sie schließlich in Form von Wärmeenergie, die direkt zum Brechen des Gesteins eingesetzt wird – durch Mikrowellen.

 

Eine Frage der Erwärmung

Das Prinzip ist nicht neu. Bereits im Mittelalter erhitzte man im Bergbau Fels mithilfe von Feuer, um ihn brüchig zu machen. Da sich zum Beispiel Granit aus verschiedenen Gesteinssorten zusammensetzt, heizen sich diese zu unterschiedlichen Graden auf, was wiederum zu Spannungen und letztendlich Rissen führt. Offenes Feuer ist im Bergbau allerdings gefährlich und obendrein auch nicht so effizient wie die von den Lehrstühlen für Mechanik, Physik und Bergbau der Uni Leoben entwickelte Erhitzung durch Mikrowellen.

 

Hierbei wird eine Mikrowellenanlage verwendet, die mit 25 Kilowatt mehr als 25 Mal so viel Leistung wie ein Mikrowellenofen für die Küche bringt. Die Mikrowellen werden mithilfe eines Hohlleiters gebündelt, der wiederum das Gestein punktgenau bestrahlen kann. Durch die punktuelle Erhitzung entstehen nicht nur Temperaturunterschiede zwischen den verschiedenen Gesteinsarten, sondern auch zwischen dem bestrahlten und dem benachbarten kühleren Gestein, was die Spannung noch einmal erhöht und die Fragmentierung weiter beschleunigt.

 

Kurz, aber heftig

In Experimenten zeigte sich, dass sich mit besonders energieintensiven kurzen Pulsen von etwa einer Sekunde Länge bessere Effekte erzielen lassen als mit längeren Pulsen mit gleichem Energieeintrag. So heizt sich das bestrahlte Gestein sehr schnell auf, während der Wärme wenig Zeit bleibt, um sich auf umliegende Bereiche auszubreiten. Die entstehende Spannung ist dementsprechend höher.

 

Der mechanische Abbauprozess wird durch die Behandlung mit Mikrowellen zwar nicht ersetzt, dafür aber erheblich erleichtert. Insgesamt lässt sich mit der Methode der Energiebedarf um zehn Prozent senken. Noch wesentlich größer ist die Zeitersparnis. Im Vergleich zu den herkömmlichen Methoden lässt sich die Bauzeit um bis zu 50 Prozent verringern.

 

Gedankenspiel: BBT + „Mikrowellenmethode“

Mit dem Brenner Basistunnel (BBT) entsteht derzeit der längste Tunnel der Welt. Nach Vollendung wird die Zugverbindung zwischen Österreich und Italien 64 Kilometer lang sein, und damit den bisherigen Rekordhalter, den Gotthardtunnel, um sieben Kilometer übertreffen. Insgesamt werden die beiden Hauptröhren mit Erkundungsstollen sowie Verbindungs- und Zufahrtswegen ganze 230 Kilometer erreichen. Auch das ist absoluter Weltrekord. Man stelle sich vor, was wohl bei diesem größten Tunnelbauprojekt aller Zeiten eine Energieersparnis von zehn Prozent bedeuten würde. Und die für 2025 geplante Fertigstellung könnte schon 2021 sein.


 

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