Sarah Merz (EDUBIM): Heiße Herdplatte BIM

22. Juli 2020

Im Interview erklärt die studierte Architektin, Bauingenieurin und Leiterin der EDUBIM Akademie Sarah Merz, was Prozessoptimierung bedeutet und warum es durchaus nicht schlimm ist, wenn man sich einmal die Finger verbrennt.


Frau Merz, wie sind Sie zu EDUBIM gekommen?

Nachdem ich schon während meiner Zeit an der Stanford University 2011 die BIM-Methodik kennengelernt habe, fand ich mich nach Studienabschluss erst einmal als Produktentwicklerin für Digitalisierung im Bauwesen beim Beuth Verlag wieder. 2016 war dann auch der deutsche Markt in seinen ersten Zügen für BIM bereit, so dass ich mich auch beruflich wieder stärker mit dem Thema beschäftigen konnte. Zuerst bei DEUBIM – das Unternehmen ist für Beratung im oberen Management zuständig und existiert seit mittlerweile sechs Jahren – und dann bei EDUBIM. EDUBIM wurde 2018 ausgegründet und steht für Fort- und Weiterbildung, Lernkonzepte mit BIM und Knowledge Management.


Ein sehr wichtiger Bereich, da hier ein hoher Bedarf in der Branche besteht.

Ja, denn man muss zwar einen Softwarekurs machen, wenn man mit einer Software arbeitet. Aber BIM ist viel mehr als Software. Es ist eine Methode, hat eine ganz eigene Terminologie, und man muss auch erstmal herausfinden, welches Wissen jemand wirklich benötigt, um in diesem Bereich weiterarbeiten zu können. Und das Prinzip: „one size fits all“ funktioniert hier nicht. Es gibt natürlich Basiskomponenten, aber darüber hinaus vertiefende Themen, die ebenfalls hineinfließen. Die Baubranche ist vielfältig. Ein einzelner Bauingenieur benötigt ganz andere Anwendungen von BIM als ein großer Infrastruktur-Bauunternehmer, der modellierende Planer benötigt andere Kompetenzen als ein BIM Manager.


Was bedeutet Prozessoptimierung für Sie?

Prozessoptimierung bedeutet für mich, dass man erst einmal darüber nachdenkt, was die Ziele sind – das Thema BIM ist, wie gesagt, vielfältig. Und diese Ziele sollten priorisiert werden: Was möchte man kurz-, mittel- oder langfristig erreichen? In dem Moment, in dem ich einen Soll-Zustand definieren konnte, gilt es, den Ist-Zustand nochmal zu analysieren und kritisch mit sich zu sein. Es muss ganz offen kommuniziert werden, an welchen Stellen es vielleicht noch nicht so ganz läuft. Im direkten Vergleich von Ist- und Soll-Zustand kristallisieren sich dann die Schritte heraus, die notwendig sind, um das Soll zu erreichen. Ansonsten läuft man althergebrachte Wege und baut hier und dort ein Türmchen an, anstatt Prozesse effizient zu verschlanken.


Und in Zusammenhang mit BIM-Weiterbildungen?

Das Prinzip lässt sich genauso auf das Feld der Fort- und Weiterbildungen übertragen. Es ist auch hier wichtig zu sehen, was benötigt wird, um diese Arbeit zu erfüllen: Welches Wissen, welche Fertigkeiten sind notwendig? Das ist der Soll-Zustand. Und dann gilt es zu fragen: Was kannst du denn schon? Was ist dein Reifegrad? Welche Software- und welche Methodenkompetenzen hast du, und wie gut sind sie? Im direkten Vergleich offenbaren sich die nächsten Handlungsschritte. Ich denke, das ist bei Projekten ziemlich ähnlich. Es geht immer darum, ein Soll festzulegen und den Weg dorthin zu definieren.


Das hört sich anstrengend an …

Es geht ja nicht darum, alles von heute auf morgen um 180 Grad zu drehen. Würde man das so anfangen, würden das die Menschen gar nicht schaffen. Es geht darum, einen gangbaren Weg zu finden und BIM nicht nur wegen der technologischen Möglichkeiten einzusetzen. Vielmehr geht es um Digitalisierung, die wir ja privat schon sehr stark nutzen. Wie bekommen wir die in unser Berufsleben hinein? Es geht auch nicht darum, so viel BIM wie möglich in Projekte hineinzubringen, sondern so viel wie nötig und darum gezielt zu schauen: Wo kann ich optimieren?


Haben Sie einen Tipp für Branchenteilnehmer?

Einen guten Tipp, den ich geben kann – und das ist eigentlich eine Sache, die jeder kennt – ist die heiße Herdplatte. Als Kind haben wir auf die heiße Herdplatte gefasst, und das tat weh. Aber immer und immer wieder auf die heiße Herdplatte zu fassen, ist kein kluger Weg.

Genauso ist es auch im Projekt und insbesondere dann, wenn es sich um die ersten Projekte in einem neuen Kontext handelt, in unserem Fall mit BIM. Ich setze neue Anwendungen, neue Werkzeuge, neue Tools, neue Softwares ein. Nach Projektabschluss lohnt es sich, zusammenzukommen und dann zu schauen, was habe ich beziehungsweise das Team gelernt. Die so genannten „lessons learned“ sind ganz wichtig, um nochmal festzuhalten, was gut lief und worauf man aufsetzen kann. Und natürlich fragt man auch: Was lief nicht so gut? Was hätten wir besser machen können?

Und das funktioniert, ohne mit dem Finger auf jeden zu zeigen, denn die Erfahrung wird für das Team gemacht. Das ganze Prozedere einmal festzuhalten und in das unternehmerische Wissensmanagement zu bringen, ist sehr wichtig. Denn jeder ist auch mal krank, geht in Urlaub oder verlässt das Unternehmen. Und mit dieser Person gehen auch immer das individuelle Know-how verloren. Dafür sollten Unternehmen ein eigenes Wissensmanagement einführen, einen Habitus etablieren, um das Know-how zu halten und künftigen Kollegen auch sagen zu können: Bitte fass hier nicht auf die heiße Herdplatte.


 

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