Großprojekte in Deutschland: von Kostenexplosionen & Bauverzögerungen

30. Januar 2017

Sie heißen Flughafen Berlin-Brandenburg, Stuttgart 21 oder Elbphilharmonie Hamburg. Komplexe Großprojekte, die Steuermillionen verschlingen und zu geflügelten Worten wie dem „Wutbürger“ führen. Doch warum werden diese prestigeträchtigen Bauvorhaben erst viel zu spät und viel zu kostspielig fertiggestellt? Eine Studie der Universitäten Harvard und Oxford zeigt, dass nicht einmal ein Viertel der weltweiten Großprojekte wie geplant durchgeführt werden können. Die Wissenschaftler untersuchten insgesamt 2000 Fälle aus 104 Ländern. Die Ursache: Von Beginn an wurden Kosten und Aufwand unterschätzt. In unserem Beitrag erörtern wir die Gründe gescheiterter Planung und Ausführung anhand der drei eingangs erwähnten Großprojekte aus Deutschland.

 

Elbphilharmonie Hamburg

© Pixabay, CCO, https://pixabay.com/de/hamburg-elbphilharmonie-konzerthaus-1669634/

 

Elbphilharmonie Hamburg: Personelle Überforderung und unzureichende Planung

Eine Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2005 prognostizierte, dass der Bau des Konzerthauses mit rund 186 Millionen Euro Gesamtkosten realisiert werden könne. Heute, nach Fertigstellung, betragen die Aufwendungen für die Elbphilharmonie knapp 900 Millionen Euro. Im Jahr 2010 wurde aufgrund der exorbitanten Kostenexplosion ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss einberufen, der die Gründe dafür evaluierte. Die Mitglieder stellten fest, dass die Ausschreibung zu früh erfolgt war, noch vor Abschluss der Planungsphase. Lediglich ein Angebot des Unternehmens Hochtief war eingegangen, das den Auftrag schließlich erhielt. Weitere Versäumnisse waren laut Ausschuss das Fehlen eines Terminplans und eines klar definierten Bausolls. Der Hauptgrund, so stellte das Gremium jedoch fest, hätte in der personellen Überforderung der städtischen Realisierungsgesellschaft ReGe gelegen, die als Bauherr fungierte. Ein weiterer Untersuchungsausschuss aus dem Jahr 2011 ergänzte, dass der Baukonzern Hochtief die unzureichende Planung bei der Kostenkalkulation nicht berücksichtigt hatte.

 

Stuttgart 21 aktuell: Eröffnung im Jahr 2021 unsicher

Im Vergleich zur Elbphilharmonie ist das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 noch immer eine gigantische Baustelle, die seit der ersten Machbarkeitsstudie im Jahr 1995 Baden-Württembergs Bevölkerung spaltet. Im Jahr 2016 legte der Bundesrechnungshof eine Kalkulation vor, nach der sich die Gesamtkosten auf 10 Milliarden Euro belaufen sollen. Zum Vergleich: Die erste Studie war von 4,8 Milliarden Euro ausgegangen. Seitdem waren die Zahlen von Jahr zu Jahr nach oben korrigiert worden.

 

In einem Bericht der Deutschen Bahn heißt es, die Gründe für die Kostenexplosion seien unter anderem auf „externe Faktoren“ zurückzuführen. Dazu zählen verzögerte Baugenehmigungen, neue Lärmschutzauflagen und eine neue Tunnelbauweise. Ob die geplante Eröffnung im Jahr 2021 tatsächlich stattfindet, ist unsicher.

 

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Flughafen Berlin-Brandenburg BER: Korruption und Baupfusch

Der Flughafen Berlin-Brandenburg ist ein weiteres Paradebeispiel für ein gescheitertes deutsches Großprojekt. Auch hier wurden bereits im Vergabeverfahren Fehler begangen. Eine erste Ausschreibung im Jahr 2014 erklärte das Oberlandesgericht für ungültig. Bei einer zweiten Ausschreibung senkten die Länder Berlin und Brandenburg die Anforderungen, um eine vielfältige Auswahl an Angeboten zu erhalten. Bei deren Sichtung wurde jedoch Korruptionsverdacht seitens der Staatsanwaltschaft laut, der sich mit der Verurteilung eines Ex-Prokuristen des Berliner Flughafens im Oktober 2016 endgültig bestätigte. Das Vergabeverfahren wurde eingestellt und es erfolgte eine Ausschreibung auf die einzelnen Gewerke, die nun von verschiedenen Bauunternehmen ausgeführt werden.

 

Baupfusch und Sicherheitsmängel treiben die Kosten weiter in die Höhe. Deshalb gerät der BER- Flughafen Immer wieder in die Schlagzeilen. Das Online-Satireblatt Postillon titelte sarkastisch: Der BER-Flughafen solle abgerissen werden, da man die Kosten für die folgenden Bauarbeiten besser einsparen könne, um damit beispielsweise einen Flughafen zu bauen. Diese belaufen sich derzeit auf 5,4 Milliarden Euro, ein Ende bleibt offen.

 

Survival of the unfittest

Sind also alle Großprojekte zum Scheitern verurteilt? Bent Flyvbjerg, ein dänischer Professor der Universität Oxford, veröffentlichte bereits im Jahr 2003 ein Buch, in dem er Kostensteigerungen von Großprojekten untersuchte. Dabei fand er zwei Erklärungen: Eine psychologisch-kognitive, die besagt, dass Politiker und Projektplaner den Nutzen dieser Mega-Bauvorhaben überbewerten und die Kosten unterschätzen. Ihre verzerrte Wahrnehmung sorge dafür, dass früher oder später die Kosten steigen und dass zum Beispiel eine neue Bahnstrecke von weniger Menschen genutzt werde als zuvor angenommen.

 

Die zweite Erklärung ist eine politisch-ökonomische: Auch hier werde der Nutzen über- und der Aufwand unterschätzt, allerdings bewusst. Laut Flyvbjerg setzen Politiker und Planer aus strategischen Gründen die Kosten niedrig an, um Akzeptanz für das Großprojekt zu schaffen. Das führe wiederum zu einem umgekehrten Darwinismus, den Flyvbjerg „survival of the unfittest“ nennt. Es werden demnach nicht die Projekte umgesetzt, die realistisch sind, sondern die, die auf dem Papier am besten aussehen. Solange Vergabeverfahren so vollzogen werden, dass realistische Angebote durch unrealistische ausgestochen werden, geraten Megaprojekte wie die Elbphilharmonie, Stuttgart 21 und der Flughafen Berlin-Brandenburg weiterhin in die Schlagzeilen.

 

Building Information Modeling schafft Transparenz

BIM kann für das detailgenaue Planen und Bauen von Großprojekten wie diesen neue Maßstäbe setzen und so Kostenexplosionen und Bauverzögerungen vorbeugen. Noch vor Grundsteinlegung wird der jeweilige Bauprozess anhand eines virtuellen 3D-Modells, das sich aus den einzelnen Teilmodellen der Fachplaner zusammensetzt, simuliert. So können alle Beteiligten frühzeitig eine realistische Prognose hinsichtlich Kosten und Bauzeit stellen. Die Arbeit an diesem BIM-Koordinationsmodell fördert Transparenz und Kommunikation. Besonders bei komplexen Infrastrukturprojekten mit hohem Koordinationsaufwand und vielen Planungsbeteiligten, hilft BIM bei der Realisierung. Für Stuttgart 21, den Flughafen BER und die Elbphilharmonie ist es zu spät, für zukünftige Großprojekte bietet BIM jedoch große Chancen.

 


 

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