Frauen in der Baubranche – Teil 2

18. Januar 2023

Was es kostete, sich als alleinerziehende Mutter im Bauwesen durchzusetzen – davon erzählt die Unternehmerin Sabine Hertel in unserer Fortsetzung zu „Frauen in der Baubranche“. 

In kaum einem Wirtschaftszweig sind Frauen derart unterrepräsentiert wie im Bauwesen. Der Frauenanteil liegt im Baugewerbe gerade einmal bei 13 Prozent, im Bauhauptgewerbe sogar nur bei einem Zehntel. Ein ganzes Stück besser (aber noch weit entfernt von gut) sieht es im Bauingenieurwesen aus, wo Ingenieurinnen zumindest 28 Prozent ausmachen. Immerhin: Der Frauenanteil steigt in den Bauingenieurberufen stetig an, ebenso wie die Zahl der Studienanfängerinnen in diesem Fachbereich. Die Männerdomäne Bauwesen scheint sich also doch langsam an Frauen zu gewöhnen. Erfolgreiche Frauen, die schon länger dabei sind, wissen jedoch noch von allerlei Widrigkeiten zu berichten, gegen die sie sich auf ihrem Weg behaupten mussten. Eine davon ist Sabine Hertel.

Alleinerziehende Mutter im Bauwesen

Die gelernte Bauzeichnerin (ein späteres Bauingenieursstudium hatte sie mit dem Vordiplom abgebrochen) gründete 1996 mit 31 Jahren in München ihr eigenes Unternehmen, cadbauteam. Etwa fünf Jahre später traf sie ein Schicksal, das derzeit weit über zwei Millionen Frauen in Deutschland betrifft: Sie stand mit zwei kleinen Kindern (fünf und sechs Jahre alt) plötzlich alleine da. Als alleinerziehende Mutter sah sie sich sowohl privat als auch beruflich mit Vorurteilen und Benachteiligungen konfrontiert. Bei der Wohnungssuche betrachteten Makler sie nicht als geeignete Mieterin. Vor Kunden musste sie ihre Kinder mehr oder weniger „verstecken“, da man ihr schnell unterstellte, Termine nicht einhalten zu können, falls diese einmal krank sein sollten.

SabineBüro_Dajana+Joanna_2_NEU© Tom Straub

„Damals war ich Einzelkämpferin auf allen Ebenen – und letztendlich war mein Einsatz enorm hoch, um mich am Markt zu positionieren“, beschreibt Sabine Hertel ihre damalige Situation. „Ich hatte nicht das Gefühl, dass man mir Steine in den Weg legte – sie waren einfach da.“ Damit bezieht sie sich nicht nur auf alleinerziehende Mütter. „Als Frau hat man den Mann oder Vater nicht so im Rücken, wie der Mann die Frau meist hat“, so die Unternehmerin. Allerdings stelle sie hier in den Familien in den letzten Jahren einen deutlichen Wandel fest.

„Frauen sind die besseren Organisatoren“

Sabine Hertel findet, dass es unbedingt mehr Frauen im Bauwesen braucht. „Sie sind in der Regel die besseren Organisatoren, denken mehr voraus, sind konstruktiver in der Zusammenarbeit“, erklärt die zweifache Mutter. Auch arbeiteten Frauen sehr lösungsorientiert – alles Faktoren, die am Bau wichtig sind. Darüber hinaus ist sie eine klare Befürworterin diverser Teams: „Ich bin davon überzeugt, dass sich hier unterschiedliche Qualitäten sehr gut ergänzen. Wir machen damit sehr gute Erfahrungen, zumal wir aufgrund unterschiedlicher Nationen noch einmal andere Aspekte im Team haben. Wir sind ein offenes Team, das sich gegenseitig wertschätzt.“

CBT_gruppe2_NEU© Tom Straub


Fähigkeiten von Frauen werden überall gebraucht

Jungen Frauen, die auch eine Karriere in der Baubranche anstreben, rät sie, sich nicht zu viele Gedanken um das Thema Frauen und Frauenquote zu machen. „Wir haben großen Fachkräftemangel“, sagt sie. „Wenn Ihr Lust auf diese Arbeit habt, bringt Euch ein, zeigt, dass Ihr Freude und Spaß an Eurer Arbeit habt, dann wird das Thema um die Frauen zur Nebensache.“ Je mehr Frauen in der Branche arbeiteten, umso normaler werde der Umgang damit. Zugleich findet sie, dass Frauen nicht zu viel in den administrativen Bereich abwandern sollten, da ihre Fähigkeiten überall gebraucht würden. Dabei betont sie: „Wir haben schon heute eine Vorbildfunktion gegenüber unseren Töchtern.“

SabineTreppeBaustelle_60_NEU© Tom Straub

Beim Girls Day ist der Andrang bei cadbauteam übrigens groß, und auch viele junge Frauen und Studentinnen interessieren sich für eine Ausbildung bei der Firma. Aufgrund ihrer eigenen Geschichte ist es Sabine Hertel besonders wichtig, dass sie als Arbeitgeberin flexibel ist, um ihren Mitarbeiterinnen solche Arbeitsmodelle bieten zu können, mit denen sich Familie und Beruf gut vereinbaren lassen.


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