Finnische Architektur: Wenn Tradition und Funktion aufeinandertreffen

31. Juli 2017

Bunte Holzhäuser mit weiß gestrichenen Fensterrahmen: Das ist Suomi, das Land der tausend Seen. 2017 feiert Finnland einen runden Geburtstag. Seit 100 Jahren ist der Ostseestaat unabhängig und eine Demokratie – eine der jüngsten in Europa. Älter sind nur 13 Prozent der Bauten, die heute hier stehen. Finnische Architektur hat dennoch eine große Tradition. Namen wie Alvar Aalto, Eero Saarinen oder Viljo Revell sind weltbekannt und ihre architektonischen Werke sind Ausdruck des finnischen Strebens nach Autonomie. Wir geben einen Überblick über weit mehr als hundert Jahre Baukunst aus dem hohen Norden.

Holzhäuser in Porvoo© Flickr / Mervi Eskelinen, https://flic.kr/p/6eiwzf; Holzhäuser in Porvoo

Finnische Baukunst mit Geschichte

Die Republik Finnland ist jung. Historische Architektur gibt es trotzdem. Die unterscheidet sich allerdings gravierend von der anderer europäischer Nationen. Üppige, von Parks umgebene Schlösser, wie man sie in Deutschland, England, Frankreich und Polen findet, gibt es in Finnland nicht. Was noch an wirklich Altem steht, wurde nicht in der originären finnischen Blockbauweise errichtet, sondern ist aus Stein: Massive Festungen und schmucklose Kirchen. Im 18. Jahrhundert begann die typische bunte, skandinavische Holzarchitektur zu florieren. In der Altstadt von Porvoo und im südfinnischen Kristinestad sind viele historische Holzhäuser erhalten. Berühmt ist vor allem die Kirchenarchitektur: Die 1764 gebaute Holzkirche im mittelfinnischen Petäjävesi gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Neoklassizistische Kirche in Liminka© Flickr / jartsf, https://flic.kr/p/VYw2Vd; Neoklassizistische Kirche in Liminka

Traditionelle Holzarchitektur

Das Bauen mit Holz ist tief in der finnischen Kultur verwurzelt. Die Finnen importierten die Blockbauweise im 9. Jahrhundert aus dem russischen Raum. Ursprünglich wurden die Holzhäuser aus waagerecht übereinander angeordneten Stämmen und Balken gefertigt, die man ab dem 18. Jahrhundert bemalte: erst rot, später auch ockergelb. Große Gebäude in aufwendiger Blockhausarchitektur waren ein Privileg reicher Familien – und der Kirchen. Im 19. Jahrhundert wurde es üblich, Blockhäuser zu verschalen. Die Holzverkleidung war ein Zeichen des Wohlstands. Wohngebäude wurden oft gelb und Wirtschaftsgebäude rot gestrichen. In Karelien, einer Region im Osten, die zwischen Finnland und Russland geteilt ist, entwickelte sich zudem ein eigenständiger Baustil mit ornamentalen Schnitzereien und Bemalungen.

Kathedrale in Helsinki© Flickr / stephenrwalli, https://flic.kr/p/GQo2H; Kathedrale in Helsinki

Klassizismus und Nationalromantik

Anfang des 19. Jahrhunderts stand die finnische Architektur im Zeichen des Klassizismus. Der deutsche Architekt Carl Ludwig Engel baute die Kirche von Liminka und den Dom von Lapua. Mit seinen Werken prägte er auch das Stadtzentrum von Helsinki. Die aufkommende Nationalromantik und der Jugendstil brachten dann zu Beginn des 20. Jahrhunderts europäische Einflüsse ins Spiel. Die Bauweise wurde spielerischer und reicher verziert, was sich vor allem in der traditionellen karelischen Holzarchitektur zeigte. Der finnische Jugendstil war stark vom Nationalepos „Kalevala“ inspiriert, das in Karelien spielt. Zu den bedeutendsten Bauten der Nationalromantik gehört der 1919 fertiggestellte Hauptbahnhof von Helsinki von Architekt Eliel Saarinen. Ein weiteres sehr bekanntes Werk stammt von seinem Kollegen Lars Sonck: Er plante 1903 für den Komponisten Jean Sibelius die Villa Ainola.

Architektur mit Funktion

Als Gegenrichtung zum verspielten Jugendstil schlug die finnische Architektur mit der Unabhängigkeit einen neuen Weg ein: weg von der Ornamentik und hin zu einer strengeren Formensprache. Ab den 1930er Jahren entwickelte sich der Funktionalismus zur vorherrschenden Stilrichtung. Alvar Aalto, der bekannteste finnische Architekt, verwandelte als Wegbereiter des neuen nordischen Designs die Linien der Seen- und Waldlandschaft Finnlands in eine Architektur der Kurven, Wellen und Formen. Zur Funktion eines Gebäudes gehörte für ihn, dass es ein Wohlgefühl für seine Bewohner und Nutzer erzeugt. Das Lungensanatorium von Paimio, das er im Südwesten Finnlands baute, ist eines seiner Schlüsselwerke: Heilung durch Architektur – mit den organischen Formen der finnischen Natur.

Heute schickt sich eine aufstrebende Generation junger Architekten an, diesen Weg fortzuführen – mit Architektur, die der Gesellschaft dient. Wie sie das tut, stellen wir im nächsten Teil unserer Finnlandreihe zum finnischen Modernismus vor.


 

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