Fertighäuser gestern und heute

17. April 2017

Fertigpizza, Fertignudeln, Fertigsuppe – beim Essen steht das Bestimmungswort „Fertig“ für massenproduziert, schnell und billig. Und auch nicht gerade für Qualität. Wer gepflegt speisen möchte, bedient sich gewiss nicht aus der Tiefkühltruhe. Ähnliche Vorstellungen prägten in Deutschland lange auch die Einstellung zu Häusern, denen ein „Fertig“ vorrangig. Selbst heute noch gelten Fertighäuser vielen als minderwertig. Ein Blick auf die Entwicklung der vorgefertigten Häuser verrät, wo diese Vorurteile herkommen und inwiefern sie heute noch gerechtfertigt sind.

 

Fertighaus

© Fotolia / Edler von Rabenstein, Fertighaus

Der Begriff „Fertighaus“ ist in Deutschland nicht eindeutig definiert. Grundsätzlich umfasst er jegliches Gebäude, das zu einem Großteil industriell vorgefertigt ist. Viele verwenden ihn jedoch synonym mit hochgradig vorgefertigten Häusern in Holztafelbauweise, wie sie seit den 1950ern hergestellt werden. So unterscheiden zum Beispiel viele Bauratgeber nach wie vor zwischen Fertig- und Massivhäusern. Auch der Bundesverband Deutscher Fertigbau e.V. befasst sich ausschließlich mit Holzhäusern. Vor allem seit der deutschen Wiedervereinigung bilden jedoch auch Massivhäuser mit Fertigteilen aus Beton, Stahlbeton, Spannbeton oder Leichtbeton einen Zweig des Fertighausmarktes.

 

„Klassische“ Fertighäuser

Vermutlich werden Holzfertighäuser noch immer vorrangig als die klassischen Fertighäuser angesehen, weil mit ihnen seit den 1960ern auch die typischen Serviceleistungen entstanden, die man mit Fertighäusern verbindet. Dazu zählen schlüsselfertiges Bauen, vielfältige individuelle Gestaltungsmöglichkeiten und variable Grundrisse. Diese und die durch Massenproduktion ermöglichten unschlagbaren Preise wurden zum Erfolgsrezept des Fertighauskonzepts und zogen einen regelrechten Verkaufs-Boom Ende der 60er bis Anfang der 70er Jahre nach sich.

 

Gerade die Fertigung von Typenhäusern in großer Stückzahl führte jedoch auch dazu, dass Fertighäuser als billige Papphäuser von der Stange verschrien waren, wobei sich die Metapher auch auf die schlechte Schallisolierung der dünnen Wände bezog. Einen schweren Imageschaden erfuhren die hellhörigen Holztafelbauten zudem in den 70er und 80er Jahren, als die gesundheitsschädlichen Wirkungen verwendeter Holzschutzmittel mit Inhaltsstoffen wie PCP, Lindan oder DDT bekannt wurden. Noch heute stellen die giftigen Altlasten in Häusern aus dieser Zeit ein Problem dar.

 

Kein Fertighaus, aber ein Haus mit Vorzeigecharakter: Das Felix Platter-Spital in Basel.

 

Fertighäuser heute

Seit den 50ern hat sich im Fertighausbau viel getan. Der Gedanke, durch massenproduzierte Typenhäuser vor allem den Preis möglichst niedrig zu halten, ist in den Hintergrund getreten. Fertighäuser sind heutzutage zu einem Großteil individuell geplante Gebäude, die sich preislich kaum von „normalen“ Häusern unterscheiden. Weshalb sich dennoch ihr Marktanteil nicht nur stabilisiert hat, sondern sogar stetig steigt (von 13,5 Prozent im Jahr 2000 auf 19,9 Prozent 2015), liegt in der Vorfertigung, der damit verbundenen kurzen und besser planbaren Bauzeit, Festpreisgarantien und dem Komfort eines schlüsselfertigen Hauses begründet.

 

Hinzu kommen zumindest bei den „klassischen“ Fertighäusern die bauphysikalischen und ökologischen Vorteile von Holzbauten. Aufgrund des mittlerweile vorgeschriebenen baulichen Holzschutzes kommen diese inzwischen weitestgehend ohne chemischen Holzschutz aus. Und da sich auch in Sachen Schallschutz sowohl in den gesetzlichen Mindestanforderungen als auch in der Ausführung einiges getan hat, können die Bewohner solcher Häuser heutzutage auch ruhiger schlafen.

 

Fertighaus

© Fotolia / benik.at, Fertighaus

Hartnäckige Vorurteile

Qualitativ können es die vorgefertigten Bausätze problemlos mit Stein für Stein errichteten Häusern aufnehmen. Vorurteile gegenüber Fertighäusern in Holzbauweise sitzen in Deutschland allerdings noch immer tief. Sie beruhen vor allem auf der traditionellen Vorstellung, dass Häuser in Massivbauweise sicherer und langlebiger seien. Nicht zuletzt als Antwort auf derartige Zweifel bietet die Branche auch Massivfertighäuser an. Deren Marktanteil ist mit einem knappen Fünftel (2015 18,6 Prozent) zwar relativ gering, doch stellen diese mit dem „Flair 113“ von Town & Country immerhin seit Jahren Deutschlands meist verkauftes Typenhaus. Den Vorwurf mangelnder Individualität wird sich jedoch auch dieses gefallen lassen müssen.

 


 

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