BIM und Politik: Was sich Experten wünschen

23. Dezember 2020

Im Gespräch erzählen die BIM-Experten Rasso Steinmann (unter anderem Professor für Bauinformatik an der HM, Vorstandsvorsitzender von buildingSMART Deutschland, Leiter VDI-Koordinierungskreis BIM) und Stefan Kaufmann (Product Manager BIM Strategy and New Technologies bei Allplan), was sie sich von der Politik bezüglich BIM wünschen.


Professor Steinmann, welche Wünsche haben Sie an die Politik?

RS: Was ich mir vor allem wünschen würde, ist, dass die Politik anfängt, ihre Verwaltung besser auf den Weg zu bringen. Man muss ihr aber auch Komplimente machen. Zum Beispiel hatte die Politik 2015 versprochen, dass sie in der Infrastruktur Projekte, die mit BIM umgesetzt werden, finanziell unterstützt und fördert. Gefördert wurde dabei nicht die Planungsleistung, sondern die Lernkurve. Da erntet man jetzt die ersten Früchte. Ich war vor Kurzem bei einer Abteilung der Deutschen Bahn in München. Dort wurde ich auch von einem BIM-Manager begrüßt. Dieser Posten wäre ohne das Pilotprojekt nicht entstanden. Ich denke, dass bei Unternehmen wie der Deutschen Bahn sehr viel durch dieses Pilotprojekt passiert ist.

Auch der Stufenplan war ein ganz wichtiger Meilenstein, denn erst dadurch haben viele Leute BIM ernst genommen. Ebenso ist das BIM-Kompetenzzentrum, das derzeit eingerichtet wird, sicher ein hilfreicher Schritt. Gleichwohl würde man sich wünschen, dass noch ein bisschen mehr Push kommt – wie in England. Die haben sich hingestellt und gesagt: Wir werden BIM-Weltmeister! In Deutschland ist die Haltung eher: Wenn die Industrie es will, dann unterstützen wir es, aber wir fordern es nicht so.


Wird Deutschland durch dieses Zögern abgehängt?

RS: Da steht natürlich immer die Sorge der Politik dahinter, dass, wenn sie zu stark fordert, der Mittelstand überstrapaziert wird. Aber man muss auch sehen, wie heute in einigen Bereichen Gebäude gebaut werden: Es gibt seit 2012 einen Film auf YouTube, der zeigt, wie ein 30-stöckiges Hotel in China in 15 Tagen gebaut wird. Da ist es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis genügend solcher Gebäude so gebaut werden und es einer hier so macht und adaptiert. Das heißt, wenn den Chinesen irgendwann mal langweilig ist und sie genügend der 30-stöckigen Dinger gebaut haben, dann werden sie sie auch in Deutschland bauen. Wenn wir die mittelständische Industrie in Deutschland erhalten wollen, muss uns darauf etwas einfallen. Der Mittelstand muss diese Form des Bauens adaptieren, um das weiterhin in der mittelständischen Struktur fortführen zu können. Wenn sie das nicht tun, wird sich das auf einzelne Unternehmen konzentrieren, fürchte ich. Hier würde ich mir von der Politik mehr Impulse wünschen.


Herr Kaufmann, wie sehen Ihre Wünsche aus?

SK: Mein ganz klarer Wunsch an die Politik ist, dass sie die Digitalisierung des Bauwesens als eine sehr wichtige Entwicklung des kommenden Jahrzehnts wahrnimmt, die nicht nur das Bauwesen, sondern die Gesellschaft im Ganzen betrifft. Und dass sie viel stärker als heute diskutiert, welchen Nutzen die Gesellschaft und die Politik aus der Verfügbarkeit großer und strukturierter Mengen an virtuellen Zwillingen ziehen wird. Zum Beispiel für die bessere Einbeziehung der Gesellschaft in Stadtentwicklungsprozesse, für schnellere und transparentere Baugenehmigungsverfahren und insgesamt auch in Hinblick auf eine bessere Stadt, von der wir in Zukunft viel mehr wissen und so schneller und kompetenter auf Veränderungen reagieren können.


Welche Art von Wissen schwebt Ihnen da vor?

SK: Es gibt viele Nutzungsszenarien, bei denen detaillierte räumliche Informationen eine wichtige Rolle spielen. Besonders spannend wird es, wenn diese Informationen flächendeckend vorliegen. An welchen Stellen lohnt sich welche energetische Sanierungsmaßnahme? Wie müssen politische Stadtentwicklungswerkzeuge gestaltet werden, damit sie die maximale Wirkung entfalten? Wie erreicht der Notarzt am schnellsten einen Raum in einem Gebäude? Welche Häuser müssen in einem Notfall evakuiert werden? Welche Gebäudesanierungsmaßnahmen sollten subventioniert werden, welche nicht? Der Staat sollte die Digitalisierung stärker als bisher als große Chance begreifen und gleichzeitig dabei helfen, die Risiken, die bei der Digitalisierung entstehen, zu reduzieren. Er könnte eine stärkere Rolle im Bereich der Datensicherheit einnehmen, als er das bisher tut. Bisher vertrauen Menschen, die Daten austauschen und mit ihnen arbeiten, dabei immer auf Unternehmen. Ebenso wie Banken Finanzdienstleistungen erbringen, der Wert des Geldes aber von einer Zentralbank sichergestellt wird, könnte ich mir vorstellen, dass Unternehmen Dienstleistungen im IT-Bereich anbieten und dahinter aber eine Form von national gesicherter Cloud steht. Das wäre ein denkbares Szenario, das ich gerne mit der Politik diskutieren würde.

Dabei spielen offene Standards beim Datenaustausch eine wichtige Rolle. Sie stellen sicher, dass Daten unabhängig vom Softwarehersteller ihren Wert behalten, indem sie zugänglich sind und auf hohem Niveau vielfältig nutzbar. Der Staat soll sich in den Bereich der internationalen Standardisierung von Bauwerksinformationen ruhig stärker einmischen, auch weil er als Nutzer dieser Daten selbst davon profitiert.


Apropos Standardisierung: Professor Steinmann, haben Sie spezielle Wünsche hinsichtlich Ihrer Arbeit im Koordinierungskreis-BIM des VDI?

RS: Durchaus! Man sieht, dass in anderen Ländern die mühsame Zuarbeit für die BIM-Standardisierung, also etwas, was ich zum Beispiel bei den VDI-Richtlinien in Zusammenarbeit mit einer Masterstudentin mache, finanziell unterstützt wird. So etwas würde ich mir auch für Deutschland wünschen. Die Leute, die in die Richtlinienprojekte gehen, machen das ja alles ehrenamtlich, neben ihrem eigentlichen Job. Die können die komplette Recherche und das saubere Verfassen gar nicht leisten. Da wäre es gut, wenn man ein paar Leute hätte, die fulltime an sowas arbeiten können. Das ist in anderen Ländern offensichtlich passiert. Im Rahmen ihrer BIM-Offensive haben die Engländer solche Leute bezahlt, die letzten Endes die British Standards geschrieben haben, und deswegen waren die auch so zügig und plötzlich da.

Diesen Wunsch äußere ich immer im Ministerium und die Antwort ist meist: Das ist Sache der Industrie und wir wollen das nicht beeinflussen. Aber wenn andere Länder ihre Industrie in diesem Bereich unterstützen und dadurch deren gewohnte Verfahren als ISO-Normen ausrollen, dann werden natürlich auch Verfahren als ISO-Norm ausgerollt, die von CEN automatisch akzeptiert und somit automatisch DIN-Normen werden, was wiederum diesen ausländischen Unternehmen einen roten Teppich nach Deutschland bereitet. Da fände ich es gut, wenn wir uns selbst rote Teppiche in die anderen Länder ausrollen würden, und für diese internationale Wettbewerbsfähigkeit sind Standards einfach ein geeignetes Mittel.


 

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