Aus dem Bunker ins Licht: BIGs TIRPITZ

15. Januar 2018

Museumsbauten blicken, ähnlich wie die in historischen Museen dargebotenen Exponate selbst, auf eine lange Geschichte zurück. So haben sich von den einstigen Wunder- oder Kunstkammern des Adels und der Kirche in der Renaissance zu heutigen Museen fundamentale Veränderungen vollzogen. Dies gilt sowohl für den Museumsbetrieb samt der Form der Ausstellungen als auch für die Museumsarchitektur. Nicht selten chronischer Budgetknappheit ausgesetzt, sind moderne Museen häufig auf geschickte Selbstvermarktung angewiesen, um ihrem Auftrag zur Bewahrung, Forschung und Bildung gerecht zu werden. Eine aufregende Architektur kann hier viel bewirken. Insbesondere, wenn sie aus prominenter Hand stammt.

TIRPITZ-Museum© Rasmus Hjortshoj

Ein brandneuer Fall solch prominenter Museumsarchitektur ist das TIRPITZ-Museum im verschlafenen dänischen Blåvand. Dieses bestand ursprünglich aus einem gleichnamigen deutschen Bunker, der als geplante Verstärkung des Atlantikwalls zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs noch unvollendet blieb und nach Kriegsende in ein Museum umfunktioniert wurde. 2012 entschlossen sich die Betreiber, das Museum zu erweitern und engagierten schließlich die Bjarke Ingels Group (BIG) für das Projekt. Am 29. Juni fand die feierliche Eröffnung statt.

Unter der Düne

Der neue Museumsbau ist um ein Vielfaches größer als der Bunker und verbirgt sich augenscheinlich unter einer Düne direkt neben dem Altbau. Insgesamt setzt er sich aus vier verschiedenen Einheiten zusammen, deren Zwischenräume Pfade bilden, welche in einem zentralen Lichthof zusammenlaufen. Hier befindet sich der Eingang, der über eine Stahlbrücke zunächst in ein Café und schließlich in ein Foyer direkt unter dem Hof hinab führt. Jedes der Gebäude stellt ein selbstverwaltetes Museum dar, das unabhängig Ausstellungen verändern, Veranstaltungen ausrichten oder seine Öffnungszeiten bestimmen kann. Zugleich bildet der Komplex eine übergeordnete Einheit, welche die Kommunikation und Zirkulation zwischen den Museen ermöglicht.

TIRPITZ-MuseumTIRPITZ-Museum© Rasmus Hjortshoj

Vier Museen in einem

In drei dieser Museen befinden sich Dauerausstellungen: „An Army of Concrete“ befasst sich mit der gewaltigen Kriegsmaschinerie des Atlantikwalls, „West Coast Stories“ erzählt eine 20.000 Jahre alte Geschichte der dänischen Westküste und „Gold of the Sea“ zeigt die größte Bernsteinsammlung Dänemarks. Das vierte Museum ist Sonderausstellungen vorbehalten und beherbergt derzeit eine solche zum Thema Minenräumung. Museumsbesucher bekommen also insgesamt viel geboten. Das wirkliche Highlight ist jedoch – zumindest für Architekturliebhaber – der Bau selbst.

TIRPITZ-Museum© Rasmus Hjortshoj

Licht unter der Erde

Die vier Gebäude öffnen sich entlang der Pfade und zum Lichthof hin mit insgesamt sechs Meter hohen Glaswänden, welche die teils gewaltigen Räume unter den bis zu 36 Metern auskragenden Stahlbetondächern großzügig belichten. Einige der Räume fallen zweigeschossig bis ins Untergeschoss ab und sind dennoch in natürliches Licht gebadet. Die Wände zwischen den Ausstellungsräumen und dem Foyer sind drehbar und schaffen so ein flexibles Museum, während sie gleichsam dem Foyer etwas Sonnenlicht ermöglichen. Ein unterirdischer Tunnel verbindet den Neubau mit dem alten Bunkermuseum.

TIRPITZ-Museum© Rasmus Hjortshoj

Fazit

Das neue TIRPITZ-Museum setzt der Schwere und Düsternis des Krieges, verkörpert in dem Bunker und in den Ausstellungen thematisiert, eine Architektur voller Leichtigkeit und Licht entgegen. Den Besuchern wird ein ruhiger, unaufgeregter, ja, friedvoller Ort geboten, an dem sie distanziert den Schrecken betrachten und gleichzeitig aufatmen können, in einer Atmosphäre des Friedens und der Sicherheit. Komplettiert wird diese außergewöhnliche Architektur von BIG, die durch ihre besondere Zurückhaltung brilliert, durch die vom niederländischen Kreativbüro Tinker Imagineers wunderbar gestalteten Ausstellungsräume.


 

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